Notwendigkeit, Praxis der Selbst- oder Fremdbestimmung, Symbolkraft
Thema 1: Schlüssel und Selbstbestimmung
Ja, als Betreuer*innen haben wir die Schlüssel zur Wohnung eines Menschen mit Demenz. Doch diese verwenden nur dann zum eigenständigen Gebrauch, wenn der von Demenz Betroffene trotz aller Anstrengungen (auch unsererseits), ihn beim selbstständigen Öffnen zu unterstützen, das selbst nicht mehr bewältigen kann. Und dafür sollten Betreuende viel Geduld und Zeit aufwenden.
Als Betreuer*innen ist es uns sehr wichtig, den Aufwand auf uns zu nehmen, dem alten Menschen zu ermöglichen, „doch noch“ die Gegensprechanlage erfolgreich zu benutzen und in Folge die Eingangstüre der Wohnung selbst zu öffnen. Dies ist emotional und symbolisch von großer Bedeutung: Der Mensch mit Demenz behält die Kontrolle über sein Leben und darüber, wer die Wohnung wann betritt und wann wieder verlässt.
Umgekehrt fanden wir es kürzlich sehr bedauerlich, wie der Angehörige einer alleine lebenden Frau mit Demenz gar nicht gemerkt hatte, wie die – nach unserem Empfinden auch zu früh eingesetzte – 24-Stundenbetreuung unverzüglich und ohne zu zögern den erhaltenen Wohnungsschlüssel verwendete, um sich stets sogleich selbst in die Wohnung einzulassen. Anstatt sich den für den Vertrauensaufbau so extrem wichtigen Dialogen zu stellen, bis die Dame mit Demenz einen selbst und freiwillig in die Wohnung lässt – oder eben nicht.
Als Angehörige*r ist es in Ordnung, wenn sie selbst die Türe aufsperren, aber nur dann, wenn das auch vor der Demenzerkrankung schon so üblich war. Sollte das nicht die Regel gewesen sein, dann raten wir Ihnen, alles zu versuchen, dass Ihr*e Angehörige*r sie so lange wie möglich selbst einlassen kann. Wir können Sie mit Rat oder Tat dabei unterstützen, wie das möglich ist.
Achten Sie darauf, wie Betreuer*innen mit dieser Frage umgehen. Wir meinen, es ist eine Art Lackmustest, wieweit Betreuende wertschätzend, respektvoll und Fähigkeiten erhaltend für Menschen mit Demenz arbeiten – und das noch, bevor sie überhaupt die Wohnung betreten haben bzw. wie sie eben diese betreten.
Thema 2: Schlüssel verlegen
Dass von Demenz Betroffene ihre Schlüssel oder Handtasche verlegen, ist ein Thema, dem wir bei der Demenzbetreuung regelmäßig begegnen.
Gegen Schlüssel verlegen hilft es, fixe Plätze zu etablieren, z.B. auch in der Türe innen anstecken. Aber auch ein Pager, den man an die Schlüssel und/oder auch die ganze Handtasche anhängen kann, hilft ... Dann kann man die verlegten Schlüssel bei Bedarf läuten lassen.
Thema 3: "Phantomschmerz bzgl. Schlüssel"
Eingebildeter Schlüsseldiebstahl sollte mit Menschen mit Demenz nicht argumentativ in Frage gestellt werden.
Betrachten Sie es entweder als Externalisierung eines Fehlers, um sich nicht mit den eigenen Schwächen auseinandersetzen zu müssen.
Unsere Empfehlung: Gehen Sie liebevoll und nachsichtig um. Helfen Sie beim Suchen, ohne auf die Frage nach "dem Schuldigen" einzugehen.
Es könnte sich andernfalls auch um eine Inszenierung handeln. Insofern, als durch einen ”verlorenen" Schlüssel der Verlust eines Raums, der einem lieb und wert war, Thema werden kann. Was in diesem Fall hilft, sind ein offenes und mitfühlendes Ohr und bei Bedarf eine tröstliche Schulter für den Menschen mit Demenz. Nicht oder nicht alleine hilft hingegen das etwaige Auffinden eines "im Interesse des Unbewussten versteckten Schlüssels" ...